Sanierungsverfahren: Mut für einen Neubeginn

  • Durch die Coronakrise sind einige Betriebe in Schieflage geraten. Eine Insolvenz muss jedoch nicht unbedingt etwas Negatives sein, sie kann auch eine Chance für einen Neubeginn sein. Worauf dabei zu achten ist. Im Zuge der Coronakrise wurde eine plötzlich eintretende Schockwelle von Insolvenzen befürchtet. Zu dieser dürfte es laut Einschätzung des KSV1870 jedoch nicht kommen. Im Gegenteil: Die Zahl der Firmenpleiten befand sich während der Pandemie im Sinkflug, im 1. Halbjahr 2021 erreichte sie den niedrigsten Wert seit über 40 Jahren. Die Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung zeigten ihre Wirkung. Auch Unternehmen, die bereits gehörig in Schieflage sind, können sich über Wasser halten. Sie werden durch die Hilfsmaßnahmen ermutigt, mit einem Insolvenzantrag zuzuwarten. Für 2022 erwartet der Gläubigerschutzverband die Rückkehr zum „normalen“ Insolvenzaufkommen, wie es aus der „Vor-Corona-Zeit“ bekannt ist. Nachzieheffekte werden lediglich in überschaubarem Rahmen erkennbar sein.

Möglichkeit einer bis zu 80-prozentigen Entschuldung

  • Was viele jedoch nicht sehen: Ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht gleich das Aus eines Unternehmens, sondern die Möglichkeit einer bis zu 80-prozentigen Entschuldung. Die Anmeldung einer Insolvenz kann ein wichtiger Schritt in Richtung Neustart sein. Mündet es in ein Sanierungsverfahren, kann die Firma fortgeführt werden. Es bekommt eine zweite Chance. Den Stecker zu ziehen und im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Sanierung zu versuchen, kann viel vernünftiger sein, als weiter im Blindflug unterwegs zu sein und einen sich stets wachsenden Schuldenberg vor sich herzuschieben – Unternehmer müssen jedoch auch den Mut dazu haben.

Das richtige Timing ist entscheidend

  • Insolvenzverfahren ist der Überbegriff für beides: Konkurs- und Sanierungsverfahren. Die Insolvenz zu beantragen ist für Unternehmer zweifellos ein schwerer Schritt. Jeder kennt das geflügelte Wort: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ob ein Unternehmen weitergeführt werden kann oder nicht, hängt jedoch vom richtigen Timing ab. Der Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung ist entscheidend. Hier gilt die Faustregel: Je früher ein Insolvenzverfahren beantragt wird, desto besser. Denn ein Sanierungsverfahren kann nur gelingen, wenn das Unternehmen noch über finanzielle Reserven verfügt. Ein Hinauszögern der Antragstellung vermindert nicht nur die Entschuldungschancen. Es besteht auch die Gefahr, dass sich die Situation des sanierungsbedürftigen Unternehmens noch weiter verschlechtert und sich der Schaden vergrößert.

Sanierungsplan ausarbeiten

  • Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann ein Unternehmer einen Sanierungsplan vorlegen, in dem er seinen Gläubigern eine Quote der Schulden anbietet, die er in einem bestimmten Zeitraum zurückzuzahlen hat. Die gesetzlichen Mindestquoten liegen bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (es wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt) bei 20 Prozent, bei einem Verfahren mit Eigenverwaltung sind es 30 Prozent. Dabei ist der Unternehmer berechtigt, seinen Betrieb selbst weiterzuführen. Achtung: Die im Zuge der Coronakrise eingeräumte Verlängerung der Zahlungsfrist von drei Jahren läuft mit 31.12.2021 aus. Danach muss die Erfüllung der zugesicherten Zahlungen in zwei Jahren erfolgen, wie vor der Pandemie. Nimmt die Mehrheit der Gläubiger (= mehr als die Hälfte der Forderungen) den Sanierungsplan an, wird das Unternehmen von der Restschuld befreit – im Gegensatz zu einem Konkursverfahren, insofern das Unternehmen dabei ohnehin nicht liquidiert wurde.

Was benötigt ein Unternehmen für einen Insolvenzantrag?

  • Eine bestmögliche Vorbereitung der Insolvenz erhöht die Chance einer Sanierung. Dazu gehört unter anderem eine Kreditoren- sowie Debitorenliste samt Schuldenstand, ein ausgearbeiteter Sanierungsplan sowie ein Finanzierungsplan für die nächsten Monate, der eine Sanierung ermöglichen soll. Zudem werden ein Firmenbuchauszug bzw. Gesellschaftsvertrag, ein Vermögensverzeichnis samt Vermögensstatus, die Bilanzen der letzten drei Jahre (falls vorhanden) sowie eine Inventarliste benötigt.
    Auch wenn das Insolvenzrecht komplex ist: Unternehmen können sich im Fall der Fälle beim Sanierungsverfahren auf ein erprobtes System mit funktionierenden Werkzeugen verlassen.

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